Religiöse oder gläubige Rede in den Ohren kirchenferner und kirchennaher Menschen …

… geht das Risiko ein, Räume zu eröffnen. Was in denen gedacht oder gefühlt wird, kann sie nicht bestimmen. Diesen Kontrollverlust kann man mögen und als Teil neuer Verständigung ansehen. Das ist kirchlich neu. Predigt zB denkt oft, sie müsse definieren und beaufsichtigen, was zu verstehen sei. Das gelang noch nie. Aus religiösem Impuls und andersartiger Resonanz entsteht ein dritter Raum aus neuem Denken.

  • … muss nicht nur etwas behaupten, sondern kann es sich auch leisten, zu beschreiben, was religiös erlebbar und denkbar ist. Diese offene Form  lädt ein mit der eigenen Resonanz einzusteigen. Die Behauptung verlangt dagegen eher Stellungnahme, Einwilligung oder Abstand.
  • … braucht ein Bewusstsein ihrer eigenen Gestalt. Ein Gedicht kann andere Aspekte religiösen oder existenziellen Erlebnis abbilden als ein Vortrag.  Das WIE entscheidet mit über das WAS.
  • … steht am Ende aller Gewissheiten aufgeregt auf der Schwelle. Sie macht sich angreifbar, indem sie sich mitsamt aller Traditionen immer wieder nichtwissend zeigt –  und genau das ist ihre Stärke.
  • … enthält einen Überschuss an Bedeutung, indem sie nicht alles sagt, sondern die Fantasie der Hörenden durch bewusst gesetzte Lücken mit inszeniert.
  • … ist fürsorglich, indem sie die Logik der hörenden Seele versteht: Die tickt nicht nur konsequent, sondern auch assoziativ  und ambivalent. Daher darf rel. Rede auch geheimnisvoll  oder widersprüchlich erscheinen.
  • … ist Ausdruck eine liebendes Blicks auf das Leben. Sie übt das zugewandte Schauen. Das macht sich zuerst zum Anwalt des Besten in allem. Erst dabei entsteht dann ein Mitwissen um die Schattenseiten.
  • … ist vertiefende Rede inmitten von Benutzeroberflächen. Vertiefen heißt auch Horizonte mitdenken, die normalerweise nicht im Blick sind. Damit wird sie auch eher anschlussfähig an nicht religiöse vertiefende Rede. Auch sie sucht andere Horizonte.
  • … sucht nach dem Riß, der sich in der scheinbar faktischen Wirklichkeit zeigt und wertet ihn als Einfalls-Ort für andere Wahrheiten. Das hat sie gemein mit anderen Denk-Disziplinen (Psychologie, Philosophie).
  • … kann sich innerhalb des kirchlichen Kontextes auf den geistlichen Rahmen verlassen (zb Gottesdienst). Sie kann daher gern weltlich sprechen.
  • … hat keine Angst vor dem Nichts. Alle sind dem ausgeliefert, und indem sie sich dem stellt, wird sie Anwältin der Suchenden.
  • … wird geübt und weiterentwickelt in gemeinsamen Ateliers für alle religiös Sprechenden. Nur so entgeht sie der Gefahr Formeln wiederzukäuen.
  • … entstammt immer einer Person, die eine Sache und sich selbst zeigt. Das Votum Kirchenferner „Ich glaube nicht, aber ich glaube dir.“ legt großen Wert auf den glaubwürdigen Menschen.
    Deshalb hat rel. Rede auch Freude am persönlichen Bekenntnis oder Zeugnis.
  • … entstammt immer auch einer kulturellen Tradition. Wird die als menschliche Resonanz auf Offenbarung kenntlich gemacht, ist auch sie anschlussfähig für nicht gläubige Menschen. Alles biblische Erzählen zb verwendet diese Erkenntnis – und entlastet die sprechende Person, weil in den guten Traditionen mehr Wahrheit enthalten ist als eine Person vermitteln kann.
  • … rechnet mit einer Art Ur-Verbundenheit zwischen Menschen im existenziellen oder religiösen Erleben. Sie kann daher entspannt aufweisen, was verbindet, und muss nicht nur machtvoll fordern oder behaupten.
  • … rechnet damit, das entscheidende Verbindungen erst  in den Ohren der Hörenden geschehen, gar nicht in der Rede selbst. Das erlaubt ihr eine unvollständige Diktion.
  • … verwendet historisches und philosophisches Wissen, weiß aber, dass das nur eine Bedingung unter vielen ist, dass Menschen verstehen. Dazu kommen viele andere Faktoren, zb auch das zeugnishafte Nichtwissen.

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