Segen und seine Qualität

Segen wird gewünscht – auch von vielen Menschen, die nicht zur Kirche gehen. Segen enthält Zuwendung, er kommt ‚von woanders her‘, er ist nicht verfügbar, man kann sich nicht selbst segnen, er braucht eine Instanz, der man zutraut Segen zu geben. Das können Vater und Mutter sein, die Pastorin, aber auch jede Person, die im entscheidenden Moment die Autorität hat zu segnen.

Segen wird in der Kirche gewünscht. Für viele Menschen ist der Segen am Schluss mindestens so wichtig wie eine Predigt.

Bemerkenswert im Hinblick auf die ‚Qualität‘ dabei: viele Menschen nehmen es hin, wenn ein Segen abgelesen statt in freier Zuwendung gesprochen wird oder am ungeeigneten Ort vorkommt. Sie ergänzen den Vorgang innerlich, vielleicht weil sie Segen ersehnen. Viele sind nicht verwöhnt von kirchlicher Brillanz. Selbst wenn Segen nur verwackelt geboten wird – man denkt und fühlt ihn sich zurecht. Das macht ihn – was Enttäuschungen angeht – vielleicht unempfindlicher als andere Teile des Gottesdienstes; und spricht für die Sache selbst, die sich offenbar selbst bei mangelhafter Ausführung durchsetzen kann. So wie man überhaupt nie sicher sein kann, dass halbe Sachen auf dem Weg zu den Empfängern nicht doch ganz werden.

Trotzdem lohnt es, auf ein paar Umstände und Haltungen zu achten.

 

Was stimmen muss

Der Vertrag

Segen braucht ein Minimum an Bedarf. Unverlangt zugesprochener Segen wird absurd. Auch wer im Gottesdienst am Ende einen Segen erhält, ohne dass er explizit darum gebeten hat, hat dies aber in einer Art Generalvertrag zugestanden, wenn er zum Gottesdienst geht. Manchmal legt eine bestimmte Art von Beziehung nahe, ungefragt zu segnen, z.B. die zu Schutzbefohlenen, Kindern oder schwer Kranken. Denen gibt man auch sonst Dinge, die sie nicht verlangt haben. Aber bei zurechnungsfähigen Erwachsenen braucht es eine minimale Vereinbarung.

 

Die Absicht

Segen ist umsonst. Er verdirbt, wenn man ihn verzweckt. Er ist umsonst wie alles Wertvolle. Er verdirbt, wenn man damit z.B. Geld verdienen oder ein Zugeständnis erschleichen will. Wer segnet, tut dies absichtslos. Er will nur segnen, und damit Segen weitergeben- nichts sonst.

 

Die Haltung

Wer Segen empfängt, ist sich seiner Motive nicht immer klar. Das Ungefähre des Verlangens ist in Ordnung. Wüßten wir immer genau, was wir brauchen –  wo kämen wir hin? In die Provinz unserer Begehrlichkeiten. Das ungenaue Sehnen führt oft in neue Räume. (das wird Folkert nicht so stehen lassen. Bin gespannt, was er draus macht ;-))

Der Mensch, der Segen gibt, ist sich seiner Motive dagegen klar: Er teilt, was er gleichzeitig empfängt von seinem Gott. Er ‚hat‘ gar nichts, er gibt weiter, was er im selben Moment bekommt. Das entspricht allen wesentlichen Regungen, die unser Leben sinnvoll machen –  der Liebe, dem Mitleid, dem Atmen.

 

Der Raum

Segnen ist überall möglich. Die Beteiligten erstellen den Raum durch ihre Beziehung zu Gott und zueinander. Deshalb muss das stimmen. Segen wird in der Regel dem Menschen von vorn zugesprochen. In der Kirche sind viele Orte für  Segen denkbar. Jedenfalls gibt es keine dafür ausschließlich prädestinierten. In einer frontal orientierten Kirche wird Segen Menschen von vorn und eher von oben erreichen, denn auch hier ist die Beziehung das Zentrale.

 

Die Autorität

Wer segnet, erhält durch das Verlangen der Leute einen Teil der nötigen Autorität. Dazu gehört aber noch etwas, das von woanders herkommt: der Auftrag der Kirche, eine persönliche Autorität durch ‚Würdigkeit‘ oder  situativ erwiesene Glaubwürdigkeit durch gemeinsam Erlebtes.

In der Kirche haben diesen Auftrag meist die ordinierten oder anders beauftragten Personen. Deren Kleidung kann die Amts-Autorität bekräftigen. Bei Segens-Gottesdiensten mit Handauflegung helfen aber gern auch andere Personen mit, die situativ geeignet erscheinen. Auch sie ermächtigen sich besser nicht selbst, sondern werden im Kollektiv beauftragt.

Was wesentlich ist

Die Geste

Sie zeigt, wie sich ein Mensch anderen Menschen im höheren ‚Auftrag‘ zuwendet. Die Hände spielen dabei eine wesentliche Rolle. Der Einzelsegen geht auf Kopf oder Schultern, der Segen für eine Gruppe geht auf viele Köpfe und Schultern. Die Geste wendet sich meist ‚von oben nach unten‘ den Menschen zu. Sie symbolisiert dabei ‚himmlischen‘ Zuspruch. Gleichzeitig zeigt sie die innere Logik eines gewissen Gefälles von Segnendem und Gesegneter. Wer verlangt, gesteht zu, sich ohne Eigenmächtigkeit nach Gott oder Zuspruch zu sehnen und steht damit auf einer anderen Ebene als der, der gibt. Das gilt auch, wenn Menschen auf Augenhöhe segnen. Die klassische Haltung der Pastorinnen und Pastoren beim Segen im Gottesdienst symbolisiert im sog. Aaronitischen Segen biblisch auftragsgemäß: Gott legt etwas auf Menschen, und  Menschen geben das weiter, indem sie es ihrerseits ‚auf die Menschen legen‘ (s. Mose …).

Die Geste stimmt dann, wenn sie sich im Kern auch ohne Worte versteht. Umgekehrt: Eine Geste, die erst durch Worte annähernd deutlich wird, taugt nichts.

Zur unverstellten Geste der Zuwendung gehört auch, dass man die Segensworte nicht ablesen muss. Wer sich zuwendet, weiß auswendig, was zu sagen ist. Dann ist der ganze Mensch eher in Beziehung spürbar.

 

Das Wort

Die Geste ist auch bei größter Klarheit nicht allein das Mittel des Segnens. Das Wort, das Menschen zu Menschen macht, kommt dazu: Aaronitischer, trinitarischer, irischer, freier Segen, all das gibt es und ist gültig. Es muss auch im Wortlaut erkennbar bleiben, dass die Segnende nicht aus eigener Macht handelt.

Ist der Segen länger als 50 Worte, wächst er zum Vortrag. Bei bis zu 50  Worten hält die Geste der Zuwendung die Spannung –  bei  den Empfangenden wie bei den Gebenden. Darüber hinaus reißt die Beziehung in der Regel –  jedenfalls im Gottesdienst.

Die Worte sind biblisch autorisiert im aaronitischen Segen. Er hat durch den Text transitiven Charakter, das heißt jemand ‚legt ihn auf andere‘. Deshalb  taugt er in der ‚Wir-Form‘ nicht.

Dem Segenswort folgt Stille oder Musik. Jedenfalls besser kein Alltagsgeplapper wie ‚schönen Sonntag noch‘ oder dergleichen. Das kann man am Ausgang sagen beim Händedruck.

 

Die Durchlässigkeit

Wer segnet, tut das im Auftrag. Um sich für alle sichtbar selbst die Kraft zu holen, die der Segen weitergeben will, kann der Segnende ohne Worte selbst um den Geist bitten oder sich das auf andere Weise holen, körperlich, mental und geistig. Dieser stumme Rückbezug kann ein Erkennungszeichen sein, dass sich jemand erst holt und dann gibt. Manchen Segnenden hilft es, wenn sie sich real vorstellen, eine weitere Gestalt stehe hinter ihnen und segne sie ihrerseits. Dabei ergibt sich ein Moment des Wartens auf die ‚andere Gegenwart‘. Die können und sollen alle sehen. Das kann zusätzliches Vertrauen schaffen.

 

Der Unterschied von Bitte und Zuspruch

‚Gott segne uns‘ ist die Bitte um den Segen, also ein Gebet mit herbeirufendem Charakter.

Das taugt z.B. für einen Segen im Kreis mit dem eingereihten Sprecher, weniger für die frontale Position vor der Gemeinde.

‚Gott segne euch/dich‘ ist Zuspruch mit herbeirufendem Charakter. Das taugt für Sprecherinnen, die einer Gruppe gegenüber stehen. Hier eignet sich die Bitte um den Segen nicht so gut.

Das ‚Herab-Rufen‘ (Optativ=Wunschmodus) zeigt im Wortlaut die Unverfügbarkeit von Segen.

‚Gott segnet uns/euch‘ ist Ansage einer Wirklichkeit oder Behauptung –  je nach Standpunkt.

Bei dieser Wendung hat sich eher eine Art Gewissheit im Segnenden ‚abgesetzt‘, von der aus er etwas im Indikativ zuspricht. Es bleibt hörbar Gottes Segen, aber er klingt sicherer, aber auch verfügbarer – als könne der Sprecher das ‚qua Besitz‘ jederzeit so behaupten. Aber die positiv-suggestive Wirkung ist größer.

 

 

Segnung einzelner Menschen, z.B. in Segnungs-Gottesdiensten, Konfirmationen, Taufen  usw.

Weil Segen begehrt ist, entstehen immer öfter eigene Gottesdienste, in denen Segnung einzelner Menschen angeboten wird, manchmal auch Segnungen von Paaren oder Tieren. Einzelne oder Paare segnen dann Menschen an unterschiedlichen Stellen im Kirchraum. Dabei kann ein kleines Gespräch vorangehen, das andeutungsweise die Lebenslage des Menschen erhebt, der Segen begehrt.

Diese eher freikirchliche Praxis zieht in landeskirchliches Handeln ein und wird beliebter.

Ein  Gottesdienst dieser Art wird beim ersten Mal Segen zum Thema machen, später andere Lebenslagen, in die hinein Segen gespendet werden soll.

Wer segnet, sollte das vorher geübt haben im Planungsteam. Ein wiederkehrendes Segenswort sollte man auswendig sprechen können. Virtuose Segnende improvisieren manchmal ein Segenswort gemäß der Kenntnis des Menschen. Die Hände liegen auf dem Kopf, und wenn ein Paar den Segen gibt, kann die zweite Person von hinten eine Hand in den Rücken der Person legen, die gesegnet wird. Das gibt Halt.

Die segnenden Hände können über dem Kopf ‚schweben‘, das heißt in knappem Abstand gehalten werden. Auch das wirkt körperlich spürbar, aber die Wirkung dauert deutlich länger. Die real und entschieden aufgelegten Hände wirken sofort. Sie schaffen den klarsten Kontakt. Wie schwer- oder leichtgewichtig man Hände auflegt, übt man vorher im Team.

 

Bei Konfirmationen bekommt am besten jeder Mensch den gleichen Segen einzeln und mit dem gleichen Wortlaut. Der ‚Wandersegen‘, bei dem ein ganzer Spruch in Teilen mit weiterlaufenden Händen über die Köpfe einer Konfirmandengruppe tippt, schmälert den Einzelzuspruch und wirkt eher flüchtig. Lange Zeit hat die Kirche auf diesen Moment hingearbeitet. Da sollte sie dann auch diesen Moment so deutlich und direkt wie möglich dem Menschen zusprechen.

 

Brautpaare werden nur von der geistlichen Leitung gesegnet. Die Sitte, Trauzeugen zum Segnen dazu zu bitten, mutet diesen Menschen mehr zu als sie überschauen können. Denn sie leben weiter mit dem Paar, und spätestens, wenn es in Schwierigkeit gerät, fragen sich manche ‚Helfer‘ beim Segnen, was sie da eigentlich gemacht haben. Pastorinnen und Pastoren gehen wieder heraus der Amtsrolle, die ihr Handeln trägt.

Das gilt auch für Taufen.

 

Die Aussegnung am Sterbebett oder am Grab hat eine eigene Logik.

Pastorinnen und Pastoren handeln hier stellvertretend für Menschen, die die Situation kaum gestalten können, weil sie trauern. Segen wird sich auch hier mit einer Geste verbinden. Die Hände wenden sich bei einer Aussegnung am Bett dem Kopf zu oder Kopf und Hand. Die Anwesenden bilden dabei am besten einen Kreis um das Bett und nehmen den Sterbenden oder Toten in ihre Mitte.

Am Grab oder in der Kapelle kann die aussegnende Person sich zwischen Sarg/Urne und die Menschen stellen und zum Toten gewandt den Segen sprechen. Damit markiert sie eine Trennlinie zwischen Lebenden und Toten und befiehlt den Toten Gott an.

Sie kann aber auch zwischen Altar und Sarg/Urne stehen und von eben dem Ort mit der Autorität des Altars und des Kreuzes im Rücken segnen wie sonst im Gottesdienst.

Segnet man Sarg und Urne von der Seite, so lässt man sich beim Handeln quasi ‚in die Karten schauen‘. Zuschauende werden so am stärksten miteinbezogen.

Der Segen für die Lebenden hat – abgesetzt vom Segen für Tote – einen eigenen und anderen Ort.

 

Ein seelsorgerliches Gespräch kann mit dem Segen der Person enden. Auch hier wird man einen Vertrag schließen mit der Frage: Möchten Sie, dass ich ihnen einen Segen zuspreche?

Die Hände können wie üblich auf dem Kopf des Menschen liegen, aber denkbar und etwas diskreter ist es auch, seine/ihre beiden Hände mit den eigenen Händen zu halten beim Segnen. Der Blick wird dabei den Augenkontakt meiden, denn es geht nicht zuerst um die Beziehung zweier Menschen.

 

Segnung  von Dingen

Menschen möchten manchmal Räume, Schmuckstücke und andere Gegenstände gesegnet haben, die ihnen wichtig sind. Die evangelische Kirche segnet keine Gegenstände, wohl aber Menschen. Und zu denen gehören Beziehungen zu Räumen, Tieren und Dingen. Man kann also eine Person samt ihrem Amulett, ihrem Schlafzimmer oder ihrem Hund segnen. Die Worte deuten die Beziehung an:  Gott segne dich und dein Heim – usw.

 

 

Was begeistern kann

Jemand wird nach der Taufe, zum Ende eines Dienstes, anlässlich eines Jubiläums gesegnet.

Die Person kann sich in die Mitte stellen, die Gemeinde erhebt sich, richtet sich dahin aus, wo die Person(en) stehen und hebt die Arme zum Segen für sie  – so wie die Leitung des Gottesdienst es sonst immer und auch jetzt tut. Dann spricht die Leitung die Segensformel in kurzen, wiederholbaren Abschnitten auswendig vor, und die ganze Gemeinde  spricht es nach. Die Arme senken sich. Danach Stille. Für die Person in der Mitte ist das ein sehr starkes Gefühl, das sich einprägt.

 

 

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