Satan hat echte Argumente

Ausschnitt einer Bibelarbeit Kirchentag 2007 Köln
Jörn Halbe und Thomas Hirsch-Hüffell

1 Dann wurde Jesus von dem Geist in die Wüste hinaufgeführt, um von dem Teufel versucht zu werden; 2 und als er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn schließlich.

 

1

3 Der ihn herausfordern sollte, kam zu ihm und sagte: „Wenn du wirklich Gottes Kind bist, dann sage, dass diese Steine sich in Brot verwandeln sol­len.“ 4 Der gab zur Antwort: „Es steht in der Schrift (Dtn 8,3): Menschen leben nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt.“

 

THH Ich frage dich, Jesus:

Deine Einsichten sind bewegend. Du sprichst wie ein Weiser. Man bleibt stehen, wenn man Dich hört. Man wird innerlich und kommt wirklich ins Denken.

Aber Menschen  brauchen echtes Brot, echte Arbeitsverhältnisse, echte Häuser.

Du kannst das herbeiführen und tust es nicht. Du redest nur davon.

Mir geht es ja nicht um Wunder, Jesus, handle einmal wirklich diakonisch.

Lindere den Hunger!

So viel Zeit hast du nicht, das wirst du ahnen. Selbst wenn Menschen deinen Ideen folgen – wie lange willst du warten? Willst Du gar nicht erleben, wie sich etwas wandelt, jetzt zu Lebzeiten? Ist es nicht die Seligkeit der Menschen jetzt , was du und dein Vater  immer wollten?

 

JH Mich hungert.

Das ist wahr. Aber mich hungert nicht so, wie du denkst. Fürsorglich, wie du dich gibst, gibst du mir Steine statt Brot. Ich nehm’s dir nicht übel: Jeder, wie er kann! Und das kannst du meisterlich: In Steine verwandeln – das Brot.

Denn ja: Die Leute brauchen „echtes Brot, echte Arbeitsverhältnisse, echte Häuser.“ Ich weiß: Es gibt Not, da wäre es, mit einem Bibelwort zu kommen statt mit einem Bissen Brot, als spuckte man Gott ins Gesicht.

Aber keiner muss zaubern, um das zu ändern. Das könnte den Damen und Herren so passen: Zu bleiben, die sie sind, zu behalten, was sie haben – und vergessen zu dürfen, die arm sind. Zauberhaft!

In Wirklichkeit wissen wir ja, was die Armen immer ärmer und die Reichen immer reicher macht. Wir wissen, dass das an der Weise des Wirtschaftens liegt. An der Den-Hals-nicht-voll-kriegen-Wirtschaft.

Der Mangel, den Menschen leiden, fällt nicht vom Himmel. Es gäbe, das weißt du, für alle genug. Es fehlt nichts, es fehlt nur die Bereitschaft zu teilen.

Diese Bereitschaft zu teilen, die erwächst erst, wenn der Hunger gestillt ist. Wer satt ist, kann auch abgeben. In Europa oder Nordamerika zb siehst Du, wie Frieden auf der Basis von Wohlstand dauerhaft gedeiht. Die Leute zanken sich da, wo man wenig zu essen hat. Da nützt auch das Teilen nichts. Was sollen sie teilen, wenn alles knapp ist. Das ist Sozialromantik. Richte es so ein, dass Menschen zufrieden sind, dann teilen sie auch.

Freundchen, du lügst. Und nicht einmal gut. Denn dass abgeben kann, wer satt ist, trifft offenkundig nicht zu – nicht in dieser Welt. Da siehst du den Reichtum sich immer nur fragen, wie er sich schützen, wie er sich sichern, wie er die Bettler von den Boutiquen, die Flüchtlinge von den Grenzen, das geplagte Leben vom Wohlleben  fernhalten kann …

Seltsam genug! Denn vernünftig – insofern geb’ ich dir recht –, vernünftig ist das nicht. Aber logisch! Nämlich, wenn sich alles Denken, alles Träumen, alles Trachten – alles Leben darum dreht, selbst den Rachen voll zu kriegen.

Brot allein: Wer so denkt, braucht an sonst nichts zu denken. Nicht, wem er’s weg-nimmt. Nicht, ob’s gerechtes Brot ist. Brot des Hungers oder Brot des Überflusses. Brot aus Kinderarbeit, Brot aus Menschenhandel, Brot aus Rüstungs-, Rohstoff-, Kreditgeschäften … Brot des Todes. Oder Brot des Lebens.

Bedenke – du erinnerst dich: Das Manna in der Wüste. Das allerdings fiel vom Himmel. Als ein Brot des Lebens. Aber für die, die mehr davon haben, mehr für sich sammeln, mehr für sich behalten wollten, als es genug für sie war, schlicht genug: Für die, alsbald, war es ein Brot des Todes, voller Maden und stinkend, wie es heißt (Ex 16,20). Leichenbrot.

Weil sie allein an das Brot gedacht hatten, nicht an das Wort, an die Weisung zum Leben, die darüber gesprochen war: Sammelt, so viel ihr braucht … Jede Zeltgemeinschaft soll sich versorgen. Aber: Niemand lasse etwas bis zum nächsten Morgen übrig (Ex 16,16.19)

Und du weißt: Die Israelitinnen und Israeliten taten das; die einen sammelten mehr, die anderen weniger. Als sie alles Gesammelte maßen, da hatten die Vielsammler keinen Überschuss und die Wenigsammler keinen Mangel …(Ex 16,17-18)

Jeder nach seinen, jede nach ihren Fähigkeiten, o. k.;  jedem nach seinen, jeder nach ihren  Bedürfnissen aber! (Bruder Karl, du verstehst.)

 

2

 5 Darauf nimmt der Teufel ihn mit in die heilige Stadt und stellt ihn auf die Zinne des Tempels 6 und spricht zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so wirf dich hinab; denn es steht geschrieben: `Er wird seinen Engeln über dir befehlen, und sie werden dich auf den Händen tragen, damit du nicht etwa deinen Fuß an einen Stein stößt.’

7 Jesus sprach zu ihm: Wiederum steht geschrieben: `Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.’

 

THH Jesus, das Vertrauen auf Gott ist deine Passion. Du willst es wissen. Hier und jetzt – ob es stimmt, dass man sich der Leere aussetzen kann ohne die Herkunft zu verlieren. Du bist klug. Du willst dich hier in der Wüste im Vater gründen. Das ist der wahre Weg.

Weißt du wie es ist, sich in die Arme des Vaters fallen zu lassen? Und wie sich das anfühlt, wenn man fällt und fällt und eben nicht stirbt, sondern gehalten wird in seinen Händen?

Das kannst du jetzt den Menschen zeigen.

Es geht ja gar nicht nur um dich und  dein Gefühl dabei. Es ist auch keine Zirkusnummer-

Es geht um das Vorbild, das du damit abgibst – das Urbild des Vertrauens: Fallen können und gehalten sein vom Himmel. Danach sehnen sich viele – aber sie trauen sich nicht. Sie springen einfach nicht, bleiben brav zuhause und sterben den Tod, der entsteht, wenn man nichts wagt.

 

JH Mich hungert.

Ja. Und ich kenne diesen Hunger, der durch Essen nicht satt wird. Den nach Geborgen-sein, Gehaltensein; Sich-verlassen-Dürfen, Sich-aus-der-Hand-geben-Können. Beten können: Dein Reich komme! Dein Wille geschehe! „Fallen können und gehalten sein vom Himmel“, wie du sagst: Voller Sehnsucht – des vom Himmel Gefallenen selber.

Aber den Missbrauch, der damit getrieben wird, die Lüge, den Mutwillen kenne ich auch: „Los doch, riskier dich! Follow your dreams! ‚Geht nicht’ gibt’s nicht. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Und allemal ein Christenmensch … Ein Christenmensch schont seiner nicht – Kreuz, Kreuz, Leid, Leid! – und wagt im Vertrauen auf Gott auch das Leben!“

Du sagtest, ein Vorbild sollte ich sein? Für diese Art ‚Leidensbereitschaft’, diese Art ‚Todesmutwillen’ nicht! Da gibt es der Vorbilder übergenug: Der Gotteskrieger, Selbstmord-krieger; derer, die den Tod in Sieg verwandeln, statt den Siegenszwang in Leben … Du kannst zufrieden sein.

Du sollst gar nicht nur siegen, du sollst einfach mehr riskieren als die vielen, die so dahindämmern mit ihrem Leben. Wer sich nicht in Gefahr begibt, kommt darin um. Es gibt auch den Lebens-Einsatz im Normalen, dafür muss man nicht gleich in den Krieg. Es gibt das lebenswichtige Wagnis in der Etagenwohnung, es gibt das gewollte Risiko der  eigenen Lebensform.

Es gibt den Blick in den Abgrund mit dem Kitzel, der einen fühlen läßt, dass man lebt.

Wohl; aber nicht jedes Leiden, jedes Wagnis, jeder Mut ist gut: Nur, wenn sie dem Leben dienen. Und bevor du milde lächelst: Dem Leben dienen parteilich wie Gott; für die Entwurzelten parteilich, für die Verlassenen, die Besessenen, die Namenlosen.

Dieser Weg liegt noch vor mir. An seinem Ende der Ort heißt Gethsemane – wird einmal Berlin-Tegel heißen; und Prinz-Albrecht-Straße; und Robben Island; und Baracke; und Lager; und Stadion; und ohne Namen sein … Da wirst du mich finden: Mein Vater, ist’s möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht wie ich will, sondern wie du willst. (Mt 26,39)

 

3

8 Wiederum nimmt der Teufel ihn mit auf einen sehr hohen Berg und zeigt ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit 9 und spricht zu ihm: Dies alles will ich dir geben, wenn du niederfallen und mich anbeten willst.

10 Da spricht Jesus zu ihm: Geh hinweg, Satan! Denn es steht geschrieben: `Du sollst den Herrn, deinen Gott, anbeten und ihm allein dienen.’

 

THH Jesus, du willst in ein Leben ohne Einfluss eintreten. Du setzt dich der Macht nicht aus, du lernst sie nicht wirklich kennen. Du müsstest sie ja gegen andere vertreten und würdest sehen, wie sinnvoll Macht eingesetzt werden kann für das Gute. Du wärst der erste König, der nicht versagt.

Weißt du, Jesus, die andere Art der Macht, die kennst Du. Du bist als der Friedefürst angekündigt. Alle warten darauf. Die von Tretminen die Beine abgerissen bekamen, und die, denen das noch droht. Auch Judas wartet auf Dich als einen, der Friedensmacht ergreift. Du würdest ihn nicht enttäuschen. Er würde dich nicht verraten. Du würdest nicht an ihm schuldig werden.

Diese andere Art der Macht kannst du nur zeigen, wenn du sie auch übernimmst. Aus deinem seltsamen Abseits geht das nicht.

Also der ganz andere Herrschaftswechsel –  jetzt!

Nicht erst irgendwann, wenn die Zeugen Jehovas ihn erwarten oder weitere 10.000de Kinder ihre Beine verloren haben.

 

JH Mich hungert.

Noch immer. Dich aber habe ich satt. „Herrschaftswechsel“ sagst du. Aber was du mich sehen lässt – alle Staaten der Welt und ihre Reichtümer –, das verrät dich. Zeigt es doch, dass du damit einmal mehr nur einen Wechsel der Herrschaften meinst. „Le Roi est mort, vive le Roi! – Der König ist tot, es lebe der König!“

Dabei weißt du wie ich,

dass die Herrschenden der Völker ihre Herrschaft missbrauchen

und die Großen ungerechte Gewalt über die Völker ausüben. (Mt 20,25)

Aus intimerer Kenntnis, nehme ich an, weißt du das besser als ich. Immerhin, wie du sagst, hast ja dies alles du in der Hand und kannst es geben, wem immer du willst (glaubhaft, nach dem, wie es aussieht): Das ‚Imperium’, Rom … Rom in tausend Gestalten. Irgendwann wird es der kapitalistische, neo-liberale ‚Westen’ mit seinem Anspruch sein, die globalisierte, vernetzte, zusammengezogene Welt rundum beherrschen zu sollen.

Denen, die zu mir gehören, werde ich sagen: So soll es bei euch nicht sein. (Mt 20,26)

Was ist so ehrenrührig daran, in eben diesen Machtzusammenhang einzutreten? Alle müssen das, die etwas bewegen wollen. Bist Du nicht auch mit denen, die etwas zu sagen haben? Gibt’s nicht auch dort Schmerz an der großen Verantwortung? Sind alle, die Macht übernehmen und Frieden kraftvoll durchsetzen, Schweine?  Willst du dich aus einem so wesentlichen Teil der Welt heraushalten?

Nicht heraushalten. Mich hinein-, mich hingeben. Warum? Weil es Gott widerspricht, ihn mit Gewalt durchzusetzen. Es gibt keine Herrschaft auf Erden ohne Erzwingungsgewalt. Und keine, in die das Geheimnis der Ungerechtigkeit nicht strukturell eingebaut wäre. Herrschaft, das ist ja – vielleicht legitim, aber – notwendig ungleich verteilte Macht von immer nur wenigen über die Vielen. Sieh dir, wo die Mächtigen der Welt mitten im Frieden, mitten in Demokratien sich treffen, die Sicherungsmaßnahmen an: Die Zäune, Schleusen, zugeschweißten Silodeckel; die Polizeimonturen – als kämen sie direkt vom Mond und müssten die Machtkapsel schützen …

Doch nicht alle Macht kommt als Herrschaft daher. Am wenigsten Gottes Macht. Denn Gott erzwingt nichts. Seine Macht ist die Liebe. Macht, die durch Teilen nicht weniger wird, sondern ansteckt und wächst. Und sein Geheimnis ist: Dass er befreit, zu lieben befreit; dass er Gerechtigkeit schafft durch gerechtigkeitsfähig gewordene Menschen.

Darum die Schrift: Du sollst Adonaj, Gott für dich, anbeten und Gott allein dein Leben weihen.

Pack dich! Ich habe mich Ihm, der Gerechtigkeit schafft – und Er hat sich mir, dass ich frei sei, versprochen. Du wirst mich nicht in Stellung bringen gegen Adonaj – bedenke: Gott auch für dich!

 

11 Dann verläßt ihn der Teufel, und siehe, Engel kamen herbei und dienten ihm.

 

 

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