Verlieren mit Größe gewinnt

Verlieren mit Größe gewinnt

Die christlichen Kirchen in der ganzen Welt bedenken durch das Jahr hindurch Szenen und Themen der Bibel, besonders das Wirken Jesu. Weihnachten erinnert man z.B. seine Geburt, im ausgehenden Winter das Scheitern seiner Liebe. Insgesamt sieben Wochen lang. Daher die Sitte des Fastens – ‚Sieben Wochen ohne‘ z.B..
Ab morgen, Sonntag, begehen Kirchen überall die Karwoche. ‚Kara‘ von ‚Kummer, Schmerz‘. Sie ‚spielen‘ in ernster Weise in Gottesdiensten und Gebetszeiten nach, was Jesus in der Woche vor seinem Tod nach den Berichten der Bibel erlebt hat. In einer Zeit, in der man siegen und Party können muss, um sein Leben zu bestehen, wirkt so etwas fast selbstquälerisch. Aber es geht eher um eine Art Herzensbildung: Nachvollziehen, wie man auch mit besten Vorsätzen ins Dickicht des Hasses geraten kann. Wie man das durchsteht, ohne zurückzuhassen. Wie man schön scheitert. Jedenfalls so, dass andere später sagen: Das hatte selbst im Kollaps irgendwie Stil, das war groß. Viele Filme haben das zum Thema. Enttäuschte Liebe bei Paaren kann z.B. stillos oder mit einer guten Haltung geregelt werden. Und wo Niederlagen ‚gelingen‘, da entsteht neues Leben und Zukunft. Alle haben etwas gelernt. Deswegen also schauen christliche Leute eine Weile auf diesen Jesus und damit auf die Art, wie Gott in Person den Schmerz durchlebt. Deswegen machen sie auch mal keine Party in der Woche, besonders nicht am Karfreitag, wo sie an Jesu Tod denken. Sie wollen selber Verlieren ‚nachspielen‘ und durchleben und hoffen dadurch lebensklüger zu werden.
Morgen feiern die Gottesdienste den Palm-Sonntag. Die Bibel erzählt, dass Jesus in Jerusalem eingezogen sei, und man habe ihm Palmzweige als roten Teppich ausgelegt –  wie für einen König. Aber er ritt auf einem Esel. Das war damals so schräge, wie wenn heute der Bundespräsident auf einem Dreirad vor Schloss Bellevue aufkreuzen würde. Jesus hat eben nichts zu bieten. Irgendwie ein Looser. Und genau das hat eine ganz eigene Sprengkraft entwickelt, weil man in den Jahrhunderten gemerkt hat: Verlieren mit Größe gewinnt.

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